Getrennt lebende Eltern, die sich das Sorgerecht teilen, sollen vor einem Umzug die Zustimmung des anderen Elternteils einholen. Dies, sofern die elterliche Sorge tangiert wird. Nach dem Bundesrat hat sich am Dienstag auch der Nationalrat für eine entsprechende Gesetzesänderung ausgesprochen.
nic. Bern Der Nationalrat hat am Dienstagmittag als Erstrat über die Vorlage zur Neuregelung der elterlichen Sorge diskutiert. Das Ziel der vorgeschlagenen Revision des Zivilgesetzbuches ist es, die gemeinsame elterliche Sorge zum Regelfall zu machen, wie es heute bereits für verheiratete Eltern der Fall ist. Neu soll dies auch für unverheiratete und geschiedene Eltern die Regel sein. Damit werde einerseits dem Gebot der Gleichstellung von Mann und Frau nachgelebt, es werde aber auch die Gleichstellung von verheirateten, geschiedenen und unverheirateten Eltern gewährleistet, erklärte Berichterstatter Alec von Graffenried (gp., Bern) im Rat.
Die Grundzüge der Gesetzesänderung waren unbestritten. Ein heikler Punkt betraf jedoch die Frage des Wohnorts. Auf Vorschlag des Bundesrats soll neu jeder Elternteil nur noch mit Einwilligung des anderen umziehen können, wenn der Wohnorts-Wechsel «erhebliche Auswirkungen auf die Ausübung der elterlichen Sorge durch den andern Elternteil hat». Ohne Zustimmung des Ex-Partners oder der Ex-Partnerin ist ein Umzug in einen anderen Kanton künftig kaum mehr möglich. Damit werden getrennt lebende Eltern in ihrer Niederlassungs- und Lebensgestaltungs-Freiheit eingeschränkt. Ein Stellenangebot müsste unter Umständen dem Anspruch des andern Elternteils auf die Nähe zum Kind untergeordnet werden.
Eingeschränkte Freiheit der Eltern
Christa Markwalder (fdp., Bern) bezeichnete den umstrittenen Artikel als einen Kernpunkt
der Neuregelung. In der vorberatenden Kommission sei unbestritten gewesen, dass der andere Elternteil zustimmen müsse, falls ein Elternteil seinen Wohnsitz ins Ausland verlegen möchte. Eine knappe Mehrheit der Kommission wollte zudem, dass die neue Regelung nicht nur gelte, wenn ein Wegzug erhebliche Auswirkungen auf die Ausübung der elterlichen Sorge, sondern auch auf den «persönlichen Verkehr» habe. Eine Kommissions-Minderheit unter Markwalders Federführung hielt dies in der «kleinräumigen Schweiz» nicht für nötig. Die Ratsmehrheit konnte sie davon jedoch nicht überzeugen. Der Minderheitsantrag wurde mit 94 zu 85 Stimmen abgelehnt.
Pirmin Schwander (svp., Schwyz) hatte zuvor erfolgreich gebeten, der Mehrheit zu folgen. «Es kann nicht sein, dass durch einen Wohnortswechsel der persönliche Verkehr zwischen Eltern und Kinder erschwert wird», sagte er. Eltern seien nunmal in ihrer persönlichen Freiheit etwas eingeschränkt.
«Verfassung unterscheidet nicht»
Ganz anders sah das Daniel Jositsch (sp., Zürich). Die Verfassung unterscheide bei der persönlichen Freiheit nicht zwischen Menschen, die Kinder hätten, und solchen, die keine hätten. «Und Artikel 301a schränkt die Freiheit ein. Punkt», so Jositsch. Mit einem Einzelantrag forderte er deshalb, den Artikel zu streichen. Dieser sei nicht nur nicht vefassungskonform, sondern er führe auch zu absurden Ergebnissen und sei schlicht nicht durchsetzbar. Bundesrätin Simonetta Sommaruga widersprach dieser Darstellung. Sie machte darauf aufmersam, dass die Grundrechte durchaus eingeschränkt werden könnten, wenn dies zum Schutz Dritter nötig sei. Und ergänzte: «Bei Kindern ist dies der Fall.»
Jositsch versuchte, mit einem plastischen Beispiel seine Arguentation zu unterstreichen. Wenn sich ein Paar mit Kindern in Basel trenne und der Mann eine neue Partnerin in Lugano schwängere, müsste nach dem Gesetzesvorschlag der Mann seine Ex-Frau fragen, ob er nach Lugano ziehen dürfe. «Das Gesetz wird aber nicht verhindern können, dass er auch ohne Erlaubnis nach Lugano zieht», sagte Jositsch. Für Sommaruga geht es bei diesem Artikel jedoch nicht darum, einen Umzug zu verbieten. Das Beispiel Jositschs aufnehmend, sagte sie, der Mann könne bei einem Umzug nach Lugano voraussichtlich nicht mehr an drei Abenden – wie bei der Trennung beispielsweise ausgemacht – für die Kinder schauen. «Dies hat Auswirkungen auf die Mutter, die nun auch für diese Abende für die Betreuung verantwortlich ist.» Durch die neue Situation müsse die bei der Trennung beschlossene Aufteilung der Sorgepflicht neu beurteilt werden.
Der Nationalrat folgte schliesslich dem Bundesrat und lehnte Jositschs Einzelantrag mit 129 zu 54 Stimmen ab. Ebenfalls abgelehnt wurde ein Minderheitsantrag, mit dem Margret Kiener Nellen (sp., Bern) Gerichte befugen wollte, bei Eltern, die sich nicht über den Aufenthaltsort eines Kindes einigen können, eine Mediation anzuordnen. Der Antrag scheiterte mit 106 zu 75 Stimmen.
Quelle: www.nzz.ch/aktuell/schweiz/nationalrat-diskutiert-ueber-umzugsverbot-1.17639968