Die Regierung muss die gemeinsame Obsorge nach Trennungen neu regeln. Derzeit sind laut Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte die Väter benachteiligt. Zuständig ist Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP). Dem KURIER liegt ihr Gesetzesentwurf für die Reform vor. Eines ist für sie entscheidend: "Ein Kind hat das Recht auf beide Eltern."
Uneheliche Kinder
Derzeit hat automatisch die Mutter die alleinige Obsorge. Nur wenn sich beide Elternteile vor Gericht einigen, kann es eine gemeinsame Obsorge geben. Der Vater kann die alleinige Obsorge nur bekommen, wenn die Mutter das Kindeswohl gefährdet.
Bandion-Ortners Entwurf sieht vor, dass uneheliche Paare eine gemeinsame Obsorge beim Standesamt vereinbaren können; aber auch, dass der Vater diese allein beantragen kann. Das Gericht kann die gemeinsame Obsorge auch gegen den Willen der Mutter verordnen - wenn das dem "Kindeswohl" dient. Die SPÖ will das auch - aber nur, wenn Väter sich bewährt haben. Bandion lehnt das ab: "Das Kind hat einen Anspruch auf seinen Vater. Es darf nicht davon abhängen, wie viel er staubgesaugt oder gewickelt hat. Oft gab es die Möglichkeit nicht."
Eheliche Kinder
Derzeit ist eine gemeinsame Obsorge nur möglich, wenn sich beide Elternteile nach der Scheidung darauf einigen. Ein Elternteil kann sie jederzeit aufkündigen. Dann muss das Gericht entscheiden, wem die alleinige Obsorge zugesprochen wird (meist der Mutter).
Bandions Entwurf sieht vor, dass bei Scheidung "die Obsorge beider Eltern aufrecht bleibt". Das Gericht kann eine gemeinsame Obsorge verfügen, auch wenn ein Elternteil dagegen ist. Außerdem sollen geschiedene Eltern vereinbaren können, " dass das Kind in den Haushalten beider Elternteile betreut wird ". Derzeit müssen sie sich einigen, bei wem das Kind hauptsächlich lebt. Die SPÖ ist gegen eine automatische gemeinsame Obsorge nach Scheidungen. Ein Elternteil soll diese aber gegen den Willen des anderen beantragen können.
Kindeswohl
Die Justizministerin möchte den Begriff des "Kindeswohls" im Gesetz erweitern. Dazu soll künftig "das Bedürfnis des Kindes nach engen und guten Kontakten zu beiden Elternteilen" zählen. Auch das "wirtschaftliche Wohlergehen" des Kindes wird Teil des "Kindeswohls". Das soll verhindern, dass während gerichtlicher Streits ein Elternteil dem anderen den Kontakt zum Kind verwehrt. Wer das tut, läuft Gefahr, das "Kindeswohl" zu verletzen. Das kann dazu führen, dass der Betroffene die Obsorge verliert.
Besuchsrecht
"Oft sehen Väter wegen Streits mit der Mutter jahrelang ihre Kinder nicht", klagt Bandion-Ortner. Sie will Mindestbesuchsrechte festschreiben: "Bei einem schulpflichtigen Kind mindestens zwei Tage innerhalb von zwei Wochen sowie in den Ferien eine Woche im Winter und zwei Wochen im Sommer." Zudem muss das Gericht im Streitfall ein sofortiges provisorisches Besuchsrecht anordnen, das diese Standards berücksichtigt. "Damit nicht ein Elternteil das Kind zu lange nicht sieht", erklärt Bandion. Weiters sollen sich Eltern bei einvernehmlichen Scheidungen auf das Besuchsrecht einigen müssen - das ist derzeit nicht so. Neu ist auch, dass Dritte (Großeltern etc.) Besuchsrecht einklagen können, wenn sie eine besondere Beziehung zum Kind haben.
Mindestrechte
Derzeit kann es sein, dass leibliche Väter gegenüber Stiefvätern bei "Angelegenheiten des täglichen Lebens" (zum Beispiel das Abholen von der Schule) benachteiligt sind. Das will Bandion-Ortner ändern, indem es Mindestrechte für Elternteile gibt, die nicht die Obsorge haben.
Familiengerichtshilfe
Bandion möchte Pädagogen, Psychologen und Sozialarbeiter bei Streitfällen vor Gericht verpflichtend einbinden. "Sie sollen im Vorfeld schlichten, damit es nicht zum Prozess kommt", sagt die Ministerin. Außerdem erhalten Richter mehr Möglichkeiten. Zur Sicherung des "Kindeswohls" können sie Eltern zu einer Beratung verpflichten, die Ausreise mit Kind verbieten oder den Pass des Kindes abnehmen. "Wir haben leider immer wieder das Problem, dass sich Leute mit Kind ins Ausland entfernen", erklärt die Ministerin.
Quelle: Kurier Artikel vom 23.02.2011 16:00