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17.06.10 12:14 Alter: 14 yrs

Justizministerium gibt Änderungsbedarf im Familienrecht bekannt

 

Die Enquete „Aktuelle Herausforderungen im Familienrecht“ findet am 24. Juni 2010 auf Initiative des Bundesministeriums für Justiz im Parlament statt und soll eine Diskussion auf breiter Ebene ermöglichen.
Sie umfasst drei Themenbereiche:
„Obsorgeregelungen und elterliche Verantwortung für eheliche Kinder nach Scheidung sowie für uneheliche Kinder“

„Besuchsrechts- und Obsorgeverfahren – Rahmenbedingungen für familien-rechtliche Verfahren“

„Weiterentwicklung des Unterhaltsvorschussrechts“.

Bei dieser Pressekonferenz wird die Bundesministerin sich vor allem auf die beiden erstgenannten Themenbereiche konzentrieren.

 

Statistische Hintergründe:

Wir haben in Österreich 2,3 mio Familien, davon sind 1,7 mio verheiratete Ehepaare (73%), 328.000 Lebensgemeinschaften (14%) und 293.000 Ein-Eltern-Familien (13%).

1,4 mio Familien haben die Kinder im eigenen Haushalt, davon sind 980.000 Ehepaare (70%), 145.000 Lebensgemeinschaften (10%) und 293.000 Ein-Eltern-Familien (20 %). 6,3% unter den Ehepaaren mit Kindern unter 15 Jahren sind Stieffamilien, bezogen auf alle Paare (auch Lebensgemeinschaften) beträgt der Anteil der Patchworkfamilien 9,6%. (Quelle: Statistik Austria bzw. Österreichischer Familienbericht).

Dennoch betrifft das Thema Trennung/Scheidung die Bevölkerung in hohem Ausmaß: Immerhin sind rd. 20.000 Kinder verheirateter Eltern jedes Jahr von Scheidung betroffen, davon ist der Großteil (rund 15.000) minderjährig. Die Problematik betrifft natürlich auch die nicht verheirateten Paare. Laut Studien, die im österreichischen Familienbericht erwähnt werden (Kurzfassung, S. 83) ist das Trennungsrisiko bei unverheirateten Paaren sogar noch größer.

 

Rechtliche Hintergründe:

Eheliche Kinder: Durch die Novellierung des Kindschaftsrechts 2001 wurde die Möglichkeit der gemeinsamen Obsorge nach der Scheidung geschaffen. Somit können die Eltern zwischen drei Formen der Obsorgevereinbarungen wählen. Entweder erhält die Mutter/der Vater die alleinige Obsorge oder es wird die gemeinsame Obsorge vereinbart. Weiters könnte eine in der Praxis sehr seltene Mischform, die alleinige Obsorge mit Mitobsorge in bestimmten Teilbe-reichen, gewählt werden.

Uneheliche Kinder: Bei unehelichen Kindern können die Eltern seit 1989 die gemeinsame Obsorge beantragen – die Information darüber scheint aber kaum vorhanden, weshalb im Ministerrat vor kurzem per Vorhabensbericht die verpflichtende Information über diese Option beschlossen wurde. Das ist jedenfalls ein Schritt, der eine eindeutige Verbesserung bedeutet, auch wenn es sich „nur“ um eine Information über bestehende Rechte und Pflichten handelt.

Bezüglich des EGMR-Urteils gegen Deutschland im Bereich der Ungleich-stellung unehelicher Väter ist festzuhalten, dass ein ähnliches Verfahren gegen Österreich anhängig ist. Das Bundesministerium prüft derzeit, ob wir zu recht-lichen Änderungen verpflichtet sind.

 

Lösungsansätze/internationaler Vergleich:

Jedes Kind hat grundsätzlich Anspruch auf Vater und Mutter. Je nach Studie wird die gemeinsame Obsorge von 40 bis 54 Prozent der geschiedenen Paare vereinbart. Erhebungen zeigen eine hohe Zufriedenheitsrate bei der ge-meinsamen Obsorge. Es ist wohl kein Zufall, dass auch die österreichischen Familienrichter vor kurzem die verpflichtende gemeinsame Obsorge nach einer Scheidung in die Diskussion eingebracht haben.

Während es in Österreich die gemeinsame Obsorge nur bei einvernehmlichen Scheidungen und Einwilligung beider Elternteile gibt, sind etwa in Deutschland grundsätzlich beide Elternteile für die Kinder zuständig. Wer die alleinige Obsorge will, muss in Deutschland nachweisen, dass die gemeinsame elterliche Obsorge dem Kindeswohl abträglich ist. Dieses Modell stellt für mich jedenfalls eine ernsthafte Option dar.

Ich richte den Blick auch auf skandinavische Länder, wo die Vermögenssorge von der Personensorge vollkommen getrennt geregelt ist. Unabhängig davon ist auch in Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland, wo man von der „Personensorge der Eltern“ spricht, die gemeinsame Personensorge beider Eltern an niederschwelligere Voraussetzungen gebunden als die gemeinsame Obsorge in Österreich. So ist sie etwa in Norwegen, Schweden oder Finnland auch nach der Scheidung grundsätzlich gegeben.

Handlungsbedarf besteht auch bei der besseren Durchsetzbarkeit des Be-suchsrechts. Es gibt Fälle, in denen Kinder den von ihnen getrennt lebenden Elternteil "vorenthalten" werden. Wir werden auch Überlegungen zur Be-

schleunigung der betreffenden Verfahren anstellen. Fest steht, dass wir in diesem Bereich Verbesserungen anstreben.

 

bmj16062010.pdf


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